Künstlergespräch mit Zoë Marlene Burz / Impuls durch Jennifer Rabe


Aus irgendeinem Grund denkst Du, Du entwirfst Dein eigenes Schicksal.Dass all Deine Entscheidungen, all Deine Fragen, all Deine Wünsche ihre Berechtigung haben.Dass das, was Dich bis hierher in diesen Raum geführt hat, das, was Dich aufstehen lässt, arbeiten, spazieren gehen, Menschen treffen, lachen, richtig ist, dass Du vertrauen kannst, dass indem Du einfach weiterlebst, alles gut wird. Das Schicksal kommt zu dritt, drei Schicksalsfrauen. Nornen, Parzen, Moiren, Norden und Süden: Urd, das Schicksal, Verdandi, das Werdende, und Skuld, das an die Zukunft Geschuldete, sind die Hüterinnen der nordischen Mythologie. Klotho, die Spinnerin, Lachesis, die Losende und Atropos, die Unabwendbare, sind die drei griechischen Moiren. Nona, die Neunte, Decima, die Zehnte und Parza, die Geburtshelferin, heißen die Parzen der römischen Sagen. Fäden spinnen und Lose werfen, zusammenbringen und trennen, den Menschen so mit den Göttern verbinden, und zugleich Mensch und Gott zu unterscheiden, das ist ihre Aufgabe.

Aus irgendeinem Grund denkst Du, Du solltest über jeden Zweifel erhaben sein. Im Schutz freier Entscheidungen kreisen die Gedanken um die immer gleichen Glashäuser, die immer gleichen Geflechte. Was bedeutet Schicksal, wenn die Freiheit wie ein zu steifes Kleid jede Bewegung verhindert? Mit jeder Entscheidung die Du triffst, und es passen viele Entscheidungen in einen Tag, kommst Du etwas näher. Und entfernst Dich von etwas anderem. Verflechtungen, Verstrickungen, Maskeraden und Enttarnungen, jeder Tag zwischen Freiheit und Schicksal ein Schritt und ein Stich. Jedes Kleidungsstück eine Rüstung und jede Farbe eine Botschaft. Jede Form verbindet Dich mit dem großen Ganzen, legt um verletzliche Körper den Kosmos als Schutz und Schmuck. Was, wenn wir unseren Entscheidungen Kleider schneidern, unseren Wünschen eine Hülle nähen? Aus welchem Stoff sind unsere Gedanken? Warum nicht ein Zelt weben für ein Gefühl von Liebe? Aus welchem Material besteht die Hoffnung? Mit welchen weichen Wolldecken können wir unsere Ängste ersticken?

Aus irgendeinem Grund denkst Du, Du kommst aus ohne einen Plan. Immer wieder denke ich über die Zukunft nach und wie ich mich vor ihr schützen kann – während sie um mich herum längst aus meiner Vergangenheit heraus gewebt wird. Vor meinem Computer sitzend kann ich sie um mich herum elektrisch knistern hören, wie sie aus meinem Profil ein Schnittmuster anfertigt aus binärem Code. Kora, die Tochter des Töpfermeisters Butades, aus Liebe den ersten Schattenriss anfertigte, als Erinnerung und Hoffnung zugleich, genauso weben Algorithmen Muster aus Entscheidungen und winzig kleinen Gesten.

Können uns nachgezeichnete Formen Erkenntnis bringen? Zeichnen, Spinnen, Weben, Nähen, Schneiden. Um unsere Körper hüllen wir Gewebe, um unser Leben schmiegen sich Netze aus Freundschaft. Sichtbar und unsichtbar verbunden, sichtbar und unsichtbar zu verwunden, nur geschützt von wiederkehrenden Mustern und verlässlichen Stichen. Verflochtenene Linien, verwirrende Freiheit. Im Schutz freier Entscheidungen kreisen die Gedanken um die immer gleichen Glashäuser, die immer gleichen Geflechte. Was bedeutet Schicksal, wenn die Freiheit wie ein zu steifes Kleid jede Bewegung verhindert? Und das Schicksal kommt zu dritt, drei Schicksalsfrauen. Fäden spinnen und Lose werfen, zusammenbringen und trennen, und den Menschen so mit den Göttern verbinden, und zugleich Mensch und Gott zu unterscheiden, das ist ihre Aufgabe. Ein unendliches geflochtenes Band von Geburt und Tod, ein Muster unterbrochen vom Leben und der unendlichen Vielfalt an Entscheidungen. Fast zu schwer um sie zu tragen, die Verantwortung, darum gebe ich gern und dankbar ab an Ideen von Schicksal und Vorsehung, ruhe mich aus beim Lesen von Horoskopen, warte auf den dünnen Lichtfaden eines Kometen am Himmel um die Augen zu schließen und mich mit einem Wunsch zu schmücken.

Aus irgendeinem Grund denkst Du, das Schicksal wird sich Dir fügen. Un coup de des jamais n’abolira l’hasard.Ein Würfelwurf wird zum persönlichen Plan. Götter haben kein Schicksal. Betrügen wir selbst als Cyborgs das Schicksal, das Gegebene, Werdende? Mit unseren Entscheidungen und Interventionen, unserer Freiheit, unseren Geräten, Prothesen, Instrumenten und Erfindungen? Wenn wir uns unseren Körper und unseren Geist zur Rüstung verdichten können, wenn unsere Freiheit in einem Dickicht aus Netzwerk aufgeht, sind wir eins oder wie viele? Freiheit führt zu Unsicherheit. Was können wir noch tragen, was anziehen, anlegen, mit was uns umhüllen, das zeigt, wie frei, frei und neu, geformt und gemustert, erlesen und verflochten wir sind? Kleidung zeigt unser Schicksal und unsere Aufgabe: Uniform, Hochzeitskleid, Raumanzug, Priesterhabit. Aus dem Zufall und der Mode entsteht die Zukunft, ebenso abstrakt wie konkret in den poetischen Träumen einer instabilen, weichen Welt der ewigen Wiederkehr. Wenn ein Kleid wie ein Bild Welten entwirft, werden Farben zu Umhängen und wir tauschen Augen gegen Körper aus. Texturen streichen um Gliedmaßen, schmeicheln und simulieren Formen, lassen Umrisse vermuten. Aus der Zweidimensionalität eines Plans entstehen Hüllen für Alltag und Berufung.

Aus irgendeinem Grund suchst Du nicht nach Vorbildern. Sinn erfordert Entscheidungen und Entschlossenheit, eine Absage an die Freiheit, eine Rückbindung an den Plan. Wie kann eine Vision ein Zufall sein? Und zugleich: Wie kann ich Verantwortung für mein Schicksal übernehmen? Wie werde ich Teil des wuchernden Rhizoms, das die hierarchische Weltesche Yggdrasil längst ersetzt hat und in einem unendlichen Myzelium, einem Gewebe unterirdischer Verstrickungen, die Berge der Götter und der Musen, Olymp und Parnassus, hinaufklettert? Fern von Algorhitmus und Serendipity, der Vorherbestimmung durch das das Maßschneidern von Informationen und dem glücklichen Zufall einer Entdeckung, sind Zeichnungen, Schnittmuster und Gemälde das Ergebnis von Händen. Als Handlungen im freien Feld schaffen sie Welten fernab vom Schicksal, werfen als Vision und Trend einen Schatten in die Zukunft. Handlungen sind Liebeserklärungen an die Zukunft. Kleidung befreundet unseren Körper mit der Gesellschaft. Wenn wir Humanoide imaginieren wollen, dann mit der Liebe und Freundschaft die die Kunstproduktion seit der frühen Neuzeit prägt, fernab von Status, Hierarchie und Neid, als Vision einer anderen, neuen Welt in der wir untrennbar miteinander verbunden sind.

Aus irgendeinem Grund zweifelst Du nicht daran, dass Dein Leben Zufall ist. Die Materialien, die uns umgeben, prägen unseren Blick. Die Stoffe, die wir weben, legen sich um uns wie Landkarten für fremde Planeten. Wenn wir Humanoide imaginieren wollen, dann mit Liebe und Freundschaft, mit Sorge und Sorgfalt. Wie Kleidung uns in die Gesellschaft gliedern, verbinden uns Bilder miteinander. Wie gemeinsame Pläne Menschen zusammenbringen, bieten künstlerische Arbeiten die Möglichkeit zum Gespräch über Hoffnungen und Ängste, Vorlieben und Visionen.