Tim Rod
URGENT PARADISE

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Retuschierter Fotonegativ Scan, 2022

„The perfect Palm Tree“ is encased in plastic sheets and surrounded by a series of screens, that make it appear as if in a perpetual state of sunset. - A.I.

Im Gegenlicht der Sonne funkeln Palmenblätter am Strand, als erfrischendes Gewächs und Hoffnungsträger thront sie in sandiger Wüstenweite, während sich üppige Palmenhaine entlang grün leuchtender Urwaldkaskaden entfalten: Die Bilder der (vorgestellten) Palmen sind individuell konnotiert und doch durch spezifische Narrative gebildeter Konsens. Nicht zuletzt durch die Fototapete mit dem Motiv der Palme am Meer hat sich eine durch Eskapismus eingefärbte Sehnsucht nach Ferne in den (Traum-)Bildwelten medial beschienener Empfänger:innen und durch soziale Medien ausstrahlender Sender:innen in den Bildkanon der westlich geprägten (Medien-)Kultur eingeschrieben.

Tim Rod greift den Umstand der mannigfaltigen Symbolhaftigkeit der Palme in seinen fotografischen Arbeiten auf und kontextualisiert diese nichtgreifbare Dringlichkeit des Phantastischen, das dem Motiv der Palme anhaftet, in seiner Ausstellung Urgent Paradise in der Reflector Contemporary Art Gallery
in Bern. Hierbei vereint Rod Fotografien verschiedener Reisen, die er machte, führt analoge Schwarz-Weiß-Fotografien in digitalen Räumen oder als Collage unmittelbar im Ausstellungsraum als Panorama des Gesehenen fort – etwa in der sich über zwei Meter erstreckenden Arbeit Archipel, die einander überlagernde Fragmente einer fotografisch erfassten Landschaft zu einem assoziativen Wandbild zusammenschließt. Wiederholung und Variation werden ebenso zum Gegenstand seiner Betrachtung, wie die Reflexion über kulturelle Aneignung und ihre Modifikation. Die (nachträgliche) Romantisierung des auf Reisen Erlebten oder das als fotografischer Schnappschuss Gesammelte bilden Hintergründe vor Rods konzeptuell geprägter Bildgenese, durch die er soziale Praktiken und Rezeptionsmodi reflektiert.

Die Postkarten-Serie Greetings from Paradise zeigt ein von Palmen umsäumtes, verlassenes Poolbecken, in dessen abgestandener Wasseroberfläche sich die umliegenden Gewächse verschwommen spiegeln. Die Arbeit nimmt eine ebenfalls in der Galerie ausgestellte Fotografie von Tim Rod zum Ausgang und zeigt in 100 Variationen die leise Verschiebung kollektiver Erfahrungsräume, die entsteht, wenn Rods Aufnahme mit fotografischen Bildern ähnlicher Motivik aus dem Internet kombiniert und so modifiziert vervielfacht wird. Mit der abweichenden Wiederkehr des Bildes knüpft Tim Rod an die Replikation touristischer Blicke an, wie sie sich traditionell durch standardisierte Postkartenmotive verkauft, doch bezieht er durch die Filter zeitlich und subjektiv geprägter Nuancierung der Bildlichkeit auch neuere Formen des touristischen Fotografierens und Erinnerns ein, wie es sich zunehmend als Vorlage für Follower in zeitgenössischen Bildmedienkanälen und hieran gekoppelte Algorithmen darstellt.

Zentral im Galerieraum ist die Arbeit Perpetual Sunset, eine durch künstliche Intelligenz errechnete Form eines Sonnenuntergangs, die in einem installativen Setting in den Abendstunden umgesetzt wird: Licht umhüllt als kontinuierlich pulsierende Projektion eine Palme, fällt auf das Schaufenster der Galerie und suggeriert die strahlende Atmosphäre des Endes eines Tages im vis-à-vis einer so künstlich idealisierten Palme. Die komponierte Lichtstimmung taucht nicht nur in die Blicke der Betrachter:innen ein, sondern entrückt die sie umgebenden fotografischen Ansichten repetitiv in die Situation einer abstrakten Momentaufnahme.

Das Künstlerbuch Urgent Paradise nimmt visuelle Elemente der Ausstellung auf und führt sie anhand der Erweiterung des Palmenmotivs als konzeptuelles Porträt fort. So überträgt Tim Rod durch das Anordnen und Überlagern der Worte Urgent Paradise die Silhouette einer Palmenblattkrone zu einem Bildtext konkreter Poesie. Analog aufgenommene Schwarz-Weiß-Ansichten, digital modifizierte Bilder, Farbfotografie und computergrafische Pixelbilder erweitern die Palme in ihrer Vielfalt und Wandlungsmöglichkeit: Wie auch bei den im Ausstellungsraum gezeigten Fotografien, tritt beispielsweise durch Rods Retusche des Stammes das individuelle Blattwerk der Gewächse hervor, das mitunter surreal im Luftraum schwebt. Mittels Überblendung und Überlagerung von Raummomenten sowie durch Zufall ins Bild fallender Lichteinwürfe entstehen Situationen des Utopischen, denen mehr vertraute Ansichten der Palme vor bewölkten oder sonnigen Himmelsflächen entgegenstehen.

Das Sich-Vertiefen in diese Facetten ist ein Wandeln, für das Tim Rod mit seiner Ausstellung Urgent Paradise eine zugleich sinnliche wie analytische Vorlage schafft, an die eigene Bildwelten stets anknüpfen und reflexiv in neue überführt werden. Das Transformative ist dabei Rods Ausstellung inhärent, ist sie in Zusammenarbeit mit Lucien Hinderling entstanden, der auf dem Gebiet Computational Biology an der Universität Bern forscht.

Text: Christina Irrgang

Events

Vernissage: Samstag, 14.01.23, 17 - 20 Uhr im Rahmen des Berner Galerien-Wochenende

Paradise Drink: Freitag, 20.01.23, ab 17 Uhr

Finissage: Samstag, 28.01.23, 17-20 Uhr



Öffnungszeiten

Donnerstag: 17.30-19 Uhr

Freitag: 15-18Uhr

Samstag: 15-18 Uhr

Und nach Vereinbarung

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